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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 09.06.2002
Aktenzeichen: 19 A 1757/02
Rechtsgebiete: GG, SCHFG NRW, SchpflG NRW, SCHVG NRW, ASchO NRW, GO NRW


Vorschriften:

GG Art. 2 Abs. 1
GG Art. 3 Abs. 3 Satz 2
GG Art. 6 Abs. 2
GG Art. 28 Abs. 2
SCHFG NRW § 1
SCHFG NRW § 2
SCHFG NRW § 3
SCHFG NRW § 4
SchpflG NRW § 7 Abs. 1
SchpflG NRW § 7 Abs. 2
SchpflG NRW § 7 Abs. 3
SCHVG NRW § 10
SCHVG NRW § 18
SCHVG NRW § 22
SCHVG NRW § 30
SCHVG NRW § 31 a
SCHOG NRW § 1
SCHOG NRW § 3
SCHOG NRW §32
ASchO NRW § 40 Abs. 2
GO NRW § 3
GO NRW § 75
1. Die Kosten der Betreuung eines Schülers mit sonderpädagogischem Förderbedarf in einer allgemeinen Schule durch sog. Integrationshelfer sind Schulkosten im Sinne des Schulfinanzgesetzes NRW.

2. Die allgemeine Schule verfügt nur dann über das nach dem Schulpflichtgesetz NRW erforderliche Personal für eine integrative Beschulung von Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf, wenn die Integrationshelfer durch das Land Nordrhein-Westfalen als Lehrer oder durch den Schulträger als andere Bedienstete an der öffentlichen Schule im Sinne des § 3 Abs. 2 SchFG NRW eingestellt worden sind.

3. Die Schulträger öffentlicher Schulen sind grundsätzlich weder gesetzlich noch verfassungsrechtlich verpflichtet, die personellen Voraussetzungen für eine integrative Beschulung zu schaffen.

4. Die Zustimmung des Schulträgers einer öffentlichen Schule zur integrativen Beschulung eines Schülers mit sonderpädagogischem Förderbedarf ist unwirksam, wenn der Schulträger sie unter der Voraussetzung erklärt, dass er die personellen Mehraufwendungen der Betreuung des Schülers durch Integrationshelfer nicht trägt.

5. Die fehlerhafte Entscheidung des Schulamtes eines Kreises über den schulischen Förderort eines schulpflichtigen Kindes mit sonderpädagogischem Förderbedarf ist nach Treu und Glauben dem Kreis zuzurechnen.


Tatbestand:

Der Kläger ist örtlicher Träger der Sozialhilfe. Die Beklagte ist Träger der B-Grundschule die der am 7.2.1990 geborene schwerbehinderte Schüler K. in der Zeit vom 1.8.1997 bis zum 31.7.2001 besuchte. Die Beklagte erteilte mit Schreiben vom 8.7.1997 ihre "Zustimmung" zur integrativen Beschulung. In dem Schreiben heißt es: "Die Stadt trägt die behinderungsspezifischen Sachausgaben in dem Maße und in dem Umfange, wie sie in dem Antrag vom 5.6.1997 beschrieben sind. Ausdrücklich ausgenommen sind jedoch die Personalkosten des Integrationshelfers (Zivildienstleistender) für die Betreuung in der Schule und ggf. im häuslichen Bereich. Insofern gilt meine Zustimmung ausdrücklich unter Vorbehalt." Mit Bescheid vom 5.8.1997 stellte das Schulamt fest, dass bei K. wegen einer geistigen Behinderung ein sonderpädagogischer Förderbedarf bestehe. Die sonderpädagogische Förderung erfolge aufgrund des Antrags der Eltern mit Wirkung ab Beginn des Schuljahres 1997/98 in der B-Grundschule. Aufgrund einer Vereinbarung zwischen den Eltern des Schülers und dem Verein I. betreuten bei dem Verein tätige Zivildienstleistende ab dem Schuljahr 1997/98 K. auf dem Schulweg und in der Schule. Die Fahrtkosten für die Zivildienstleistenden zur Schule und die Kosten für die Betreuung des Schülers in der Grundschule übernahm der Kläger als örtlicher Träger der Sozialhilfe "ohne Anerkennung einer Rechtspflicht". Der Kläger forderte die Beklagte mit Schreiben vom 23.10.1999 auf, die aus Sozialhilfemitteln übernommenen Kosten der Integrationshelfer zu erstatten. Die Beklagte lehnte den Antrag ab. Die Klage und die Berufung des Klägers bleiben ebenfalls ohne Erfolg.

Gründe:

Nach dem auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ist die Geltendmachung von Ansprüchen unzulässig, wenn sie missbräuchlich erscheint. Eine solche unzulässige Rechtsausübung liegt unter anderem dann vor, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs in (mindestens) objektiv rechtswidriger Weise begründet worden sind und der Anspruchsteller im Falle der Durchsetzung des geltend gemachten Anspruchs grundlos Rechtsvorteile erhielte.

Vgl. nur BVerwG, Urteil vom 23.11.1993 - 1 C 21.92 -, NJW 1994, 954 (955); BGH, Urteil vom 8.7.2003 - VI ZR 274/02 -, NJW 2003, 3193 (3196), und Beschluss vom 8.7.1952 - V BLw 100/51 -, LM § 242 (Cd) BGB Nr. 5, Bl. 55 (56); Heinrichs, in: Palandt, BGB, 63. Aufl., 2004, § 242, Rdn 43.

Das ist hier der Fall. Der Kläger stützt den geltend gemachten Erstattungsanspruch auf die Entscheidung des Schulamtes, den Schüler K. an der B-Grundschule gemeinsam mit nichtbehinderten Schülern zu unterrichten. Diese Entscheidung über den sonderpädagogischen Förderort ist jedoch objektiv rechtswidrig (A.). Die Verlagerung der finanziellen Verantwortung für die rechtswidrige Entscheidung über den sonderpädagogischen Förderort im Falle der vom Kläger begehrten Kostenerstattung durch die Beklagte würde dem Kläger grundlos Rechtsvorteile verschaffen, obwohl er nach Treu und Glauben - jedenfalls im Verhältnis zur Beklagten - für die finanziellen Folgen der objektiv rechtswidrigen Entscheidung des Schulamtes aufzukommen hat (B.).

A. Die objektive Rechtswidrigkeit der Entscheidung des Schulamtes über den sonderpädagogischen Förderort folgt daraus, dass die Voraussetzungen gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 Satz 2 SchpflG NRW für eine gemeinsame Unterrichtung des Schülers K. in der B-Grundschule nicht vorlagen. Nach § 7 Abs. 2 Satz 1 SchpflG NRW kann in der Primarstufe mit Zustimmung des Schulträgers die sonderpädagogische Förderung auch in der Grundschule erfolgen, soweit die Grundschule hierfür über die erforderliche personelle und sächliche Ausstattung verfügt. Gemäß § 7 Abs. 4 Satz 2 SchpflG NRW ist vor der Entscheidung über den sonderpädagogischen Förderbedarf eines Schülers und den Förderort unter anderem die Zustimmung des Schulträgers einzuholen. Diese Voraussetzungen für eine integrative Beschulung des Schülers K. lagen nicht vor, weil die B-Grundschule nicht über die erforderliche personelle Ausstattung für die integrative Beschulung des Schülers verfügte (I.) und weil die Zustimmung der Beklagten als Schulträger unwirksam war (II.).

I. Nach § 7 Abs. 2 Satz 1 SchpflG NRW erfordert die integrative Beschulung eines Schülers mit sonderpädagogischem Förderbedarf, dass die Grundschule über die erforderliche personelle und sächliche Ausstattung für die integrative Beschulung eines Kindes mit sonderpädagogischem Förderbedarf verfügt. Eine dahingehende Regelung enthält auch § 12 Abs. 2 Satz 1 VO-SF. Danach setzt die integrative Beschulung eines Schülers mit sonderpädagogischem Förderbedarf an einer allgemeinen Schule - unter anderem - voraus, dass an dieser Schule die erforderlichen personellen und sächlichen Voraussetzungen für eine sonderpädagogische Förderung gegeben sind. Die Grundschule verfügt aber nur dann über die für eine integrative Beschulung erforderliche personelle Ausstattung, wenn die Integrationshelfer entweder durch das Land Nordrhein-Westfalen als Lehrer im Sinne des § 3 Abs. 1 SchFG NRW oder durch den Schulträger (§ 10 SchVG NRW) als sonstige Bedienstete der Schule im Sinne des § 3 Abs. 2 SchFG NRW eingestellt worden sind (1.). Das war in Bezug auf die Integrationshelfer für K. nicht der Fall (2.). Die Beklagte als Schulträger war auch nicht verpflichtet, die Integrationshelfer als andere Bedienstete an der B-Grundschule einzustellen (3.).

1. Das Erfordernis einer Einstellung der Integrationshelfer durch das Land Nordrhein-Westfalen oder den Schulträger folgt aus dem systematischen Zusammenhang der Regelungen in § 7 Abs. 2 SchpflG NRW, § 12 Abs. 2 Satz 1 VO-SF mit § 1 Abs. 1 Satz 1 sowie §§ 2 und 3 SchFG NRW. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 SchFG NRW werden die Schulkosten (Personal- und Sachausgaben) nach Maßgabe des Schulfinanzgesetzes aufgebracht. Die Personalausgaben für Lehrer an öffentlichen Schulen, deren Träger das Land, eine Gemeinde oder Gemeindeverband ist, trägt das Land (§ 3 Abs. 1 SchFG NRW). Der Träger einer öffentlichen Schule trägt die Sachausgaben (§ 2 SchFG NRW) und die Personalausgaben für die nicht als Lehrer im Schuldienst tätigen Beamten und anderen Bediensteten an den Schulen (§ 3 Abs. 2 SchFG NRW). Nach diesen Vorschriften gehören die Kosten für den Einsatz von Integrationshelfern in Grundschulen - und auch in weiterführenden allgemeinen Schulen (§ 7 Abs. 3 SchpflG NRW) - zu den Schulkosten im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 SchFG NRW (a.). Bei Schulkosten im Sinne dieser Vorschrift besteht eine ausschließliche Kostenträgerschaft des Landes NRW oder der Schulträger öffentlicher Schulen; diese ausschließliche Kostenträgerschaft des Landes oder der Schulträger lässt eine Kostenträgerschaft durch Dritte, insbesondere private Dritte, nicht zu (b.).

a. Der Begriff Schulkosten ist gesetzlich nicht näher definiert. Aus der Formulierung in § 1 Abs. 1 Satz 1 SchFG NRW "Schulkosten der öffentlichen Schulen" ergibt sich jedoch, dass Bezugspunkt für die Auslegung des Begriffs Schulkosten nicht das Schulwesen insgesamt, sondern die öffentliche Schule als Anstalt ist. Auf der Grundlage dieser Prämisse werden unter Schulkosten herkömmlicherweise solche Kosten verstanden, die zur Errichtung und Unterhaltung der Schule einschließlich der Gewährleistung des Schulbetriebes aufgewandt werden oder aufzuwenden sind.

Amtliche Begründung zum Entwurf des Schulfinanzgesetzes, LT-Drs. NRW 3/276, S. 10; VG Minden, Urteil vom 18.3.1998 - 3 K 4762/97 -, NWVBl 1998, 452 (453); Meyerhoff/Pünder/Schäfer, Schulverwaltungsgesetz und Schulfinanzgesetz Nordrhein-Westfalen, 2. Aufl., 1968, Anm. II 1 und 2 (S. 257 f.), m. w. N.

Einer weitergehenden inhaltlichen Umschreibung des Begriffs Schulkosten bedarf es im vorliegenden Verfahren nicht. Die Kosten für die Integrationshelfer von K. sind, wenn die Zivildienstleistenden durch das Land NRW oder durch die Beklagte eingestellt worden wären, jedenfalls deshalb Schulkosten im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 SchFG NRW, weil die Kosten zur Gewährleistung des Schulbetriebes aufgewandt worden sind. Personalausgaben sind zumindest dann zur Gewährleistung des Schulbetriebs aufgewandt worden oder aufzuwenden, wenn der Einsatz der betreffenden Person in der Schule erforderlich war, damit die Schule ihren Erziehungs- und Bildungsauftrag (§ 1 Abs. 1 SchOG NRW) überhaupt erfüllen kann. Das ist unter anderem dann der Fall, wenn der Schulbesuch eines Schülers - oder auch mehrerer Schüler - ohne den Einsatz der betreffenden Person unmöglich ist. (Wird ausgeführt)

Der Zuordnung der Personalausgaben für die Integrationshelfer zu den Schulkosten im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 SchFG NRW steht nicht entgegen, dass "die Kosten für eine Einzelbetreuung eines Schülers über das gewöhnliche Maß der pädagogisch-pflegerischen Betreuung erheblich hinausgehen" oder dass, wie das VG meint, die Kosten "im Zusammenhang mit der Deckung eines - vom Schulbesuch unabhängigen - allgemeinen Lebensbedarfs entstehen". (Wird ausgeführt)

b. Rechtsfolge der Zuordnung der Personalausgaben für den Einsatz von Integrationshelfern zu den Schulkosten im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 SchFG NRW ist, dass die Kosten vom Land Nordrhein-Westfalen oder dem Schulträger einer öffentlichen Schule getragen werden, indem die Integrationshelfer entweder durch das Land als Lehrer (§ 3 Abs. 1 SchFG NRW) oder durch den Schulträger als nicht als Lehrer im Schuldienst tätige andere Bedienstete (§ 3 Abs. 2 SchFG NRW) eingestellt werden. Eine Kostenträgerschaft durch Dritte kennt das Schulfinanzgesetz im Bereich der Schulkosten nicht.

Ebenso VG Arnsberg, Urteil vom 18.2.1998 - 9 K 157/97 -, NWVBl 1999, 110 (110 f.); vgl. auch Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1502, LT-Drs. 12/4588, S. 4: "Die Aufnahme einer Schülerin oder eines Schülers in den gemeinsamen Unterricht darf nicht von der Erklärung der Eltern abhängig gemacht werden, die Kosten für eine Einzelbetreuung selbst zu tragen".

Der Einsatz von Integrationshelfern aufgrund eines Auftrags der Erziehungsberechtigten eines Schülers und eine Kostentragung der Erziehungsberechtigten ist deshalb mit den Vorgaben des Schulfinanzgesetzes nicht vereinbar.

Das bestätigt auch § 31 a SchVG NRW. Danach können Schulen für den Schulträger bei der Erfüllung ihrer Aufgaben durch Sach- und Geldzuwendungen Dritter unterstützt werden (§ 31 a Abs. 1 Satz 1 SchVG NRW). Sie dürfen außerdem zur Erfüllung ihrer Aufgaben für den Schulträger Zuwendungen von Dritten entgegennehmen und auf deren Leistungen in geeigneter Weise hinweisen (Sponsoring), wenn diese Hinweise mit dem Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule vereinbar sind und die Werbewirkung deutlich hinter den schulischen Nutzen zurücktritt (§ 31 a Abs. 2 Satz 1 SchVG NRW). Diese Regelungen lassen das schulfinanzrechtliche Prinzip der ausschließlichen Kostenträgerschaft des Landes und der Schulträger öffentlicher Schulen unberührt. Für die vom Land NRW zu tragenden Lehrerkosten gilt § 31 a SchVG NRW nicht. Die Vorschrift ermöglicht lediglich eine finanzielle Unterstützung der Schule, soweit sie Aufgaben des Schulträgers erfüllt. Der Schulträger bleibt allerdings auch nach § 31 a SchVG NRW Verpflichteter der ihm durch die schulrechtlichen Vorschriften übertragenen Aufgaben. Das verdeutlicht insbesondere § 31 a Abs. 4 SchVG NRW. Danach entbinden Zuwendungen den Schulträger nicht von seinen Verpflichtungen gemäß § 30 SchVG NRW zur Bereitstellung und Unterhaltung der erforderlichen Schulanlagen, Gebäude, Einrichtungen und Lehrmittel sowie zur Einstellung des für die Schulverwaltung notwendigen Personals.

Die ausschließliche Kostenträgerschaft des Landes oder des Schulträgers in Bezug auf Personalkosten der Schule dient dem Zweck sicherzustellen, dass zur Erfüllung des Erziehungs- und Bildungsauftrags der Schule nur solche Lehrer, Beamte und andere Bedienstete tätig sind, auf deren Auswahl und konkrete Tätigkeit das Land oder der Schulträger einen rechtlich hinreichend gesicherten Einfluss ausüben können. Die Auswahl der Integrationshelfer ist für die Unterrichtung eines Kindes mit sonderpädagogischem Förderbedarf von erheblicher Bedeutung, weil der Integrationshelfer in der Lage sein muss, den besonderen Bedürfnissen des Kindes im gemeinsamen Unterricht nachzukommen und das Kind in Abstimmung mit den Lehrern im Unterricht zu begleiten. Darüber hinaus muss insbesondere ein hinreichend rechtlich gesichertes Weisungsrecht des Lehrers gegenüber dem Integrationshelfer gewährleistet sein. Der Erziehungs- und Bildungsauftrag der Schule, der häufig ein sofortiges Handeln der Lehrer im Unterricht erfordert, wird gefährdet, wenn es dem Lehrer nur über Dritte - etwa den (privaten) Dienstvorgesetzten eines Zivildienstleistenden - möglich ist, dem Integrationshelfer verbindliche Weisungen zu erteilen.

2. Nach Maßgabe dieser Grundsätze verfügte die B-Grundschule nicht über das erforderliche Personal für eine gemeinsame Unterrichtung des Schülers K. Die Integrationshelfer, die ihn während des Besuchs der Grundschule betreuten, waren weder Bedienstete des Landes noch der Beklagten. Es bestand auch nicht das erforderliche Weisungsrecht der Lehrer gegenüber den Integrationshelfern für K. (Wird ausgeführt)

3. Die Beklagte war auch nicht verpflichtet, die personellen Voraussetzungen für eine integrative Beschulung des Schülers K. durch Begründung eines Dienstverhältnisses mit den Integrationshelfern zu schaffen.

a. Eine Verpflichtung der Beklagten zur Einstellung der Integrationshelfer als andere Bedienstete an der B-Grundschule und zur Tragung der Kosten ihres Einsatzes ergibt sich nicht aus dem Schulfinanzgesetz NRW oder aus sonstigen schulrechtlichen Vorschriften. Das Schulfinanzgesetz NRW verpflichtet den Schulträger weder in § 3 Abs. 2 noch in anderen Vorschriften, bestimmtes Personal einzustellen. Die Verpflichtungen des Schulträgers, Grundschulen zu errichten und fortzuführen (§ 10 Abs. 1 SchVG NRW) und für ausreichenden und würdigen Schulraum zu sorgen (§ 3 Abs. 1 SchOG NRW), begründen ebenso wenig wie seine Verpflichtung gemäß § 30 Abs. 1 SchVG NRW, die für einen ordnungsgemäßen Unterricht erforderlichen Schulanlagen, Gebäude, Einrichtungen und Lehrmittel bereitzustellen und ordnungsgemäß zu unterhalten sowie das für die Schulverwaltung notwendige Personal zur Verfügung zu stellen, eine Verpflichtung zur Schaffung der personellen Voraussetzungen für die integrative Beschulung von Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Die Integrationshelfer, die Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf während des Besuchs einer allgemeinen Schule betreuen, sind insbesondere keine Lehrmittel, zu denen allein die dem Lehrzweck der Schule dienenden Gegenstände gehören.

Meyerhoff/Pünder/Schäfer, a. a. O., § 30 SchVG, Anm. II 2 a (S. 234).

Eine Pflicht zur Schaffung der Voraussetzungen für einen gemeinsamen Unterricht und Bereitstellung von Betreuungspersonal ergibt sich weiterhin nicht aus § 7 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 Satz 2 SchpflG NRW. Danach kann in der Primarstufe mit Zustimmung des Schulträgers die sonderpädagogische Förderung auch in der Grundschule erfolgen, soweit die Grundschule hierfür über die erforderliche personelle und sächliche Ausstattung verfügt. Mit der Formulierung "kann" in § 7 Abs. 2 Satz 1 SchpflG NRW hat der Gesetzgeber klargestellt, dass keine generelle Pflicht besteht, Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf in allgemeinen Schulen sonderpädagogisch zu fördern.

Vgl. Begründung der Landesregierung zum Entwurf des Gesetzes zur Weiterentwicklung der sonderpädagogischen Förderung, LT-Drs. 11/7186, S. 2 und 8 f.; Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1502, a. a. O., S. 3.

Ob die vorbehaltlos erteilte Zustimmung des Schulträgers zur integrativen Beschulung (§ 7 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 Satz 2 SchpflG NRW) neben der Verpflichtung, etwaige zusätzliche Sachkosten zu tragen, auch die Verpflichtung umfasst, das dazu notwendige Personal einzustellen, bedarf hier keiner näheren Erörterung. Die Beklagte hat ihre Zustimmung (nur) unter der Voraussetzung erteilt, keine personellen Mehraufwendungen tragen zu müssen. Eine solche Zustimmung begründet schon deshalb keine Kostentragungspflichten des Schulträgers, weil sie, wie noch ausgeführt wird, mit diesem Inhalt unwirksam ist.

Eine Pflicht der Beklagten zur Schaffung der Voraussetzungen für eine integrative Beschulung lässt sich weiter nicht aus dem vom Kläger angeführten Gemeindefinanzierungsgesetz 1999 - GFG 1999 -, GV. NRW. 1998 S. 762, herleiten. (Wird ausgeführt)

Die Beklagte war und ist schließlich nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen verpflichtet, die personellen Voraussetzungen für eine integrative Beschulung von Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf zu schaffen. Der Staat ist mit Rücksicht auf das Recht des Schülers, eine den Anlagen und Befähigungen möglichst weitgehend berücksichtigende Ausbildung zu erhalten (Art. 2 Abs. 1 GG), das Recht der Eltern, den Bildungsgang in der Schule für ihr Kind im Rahmen von dessen Eignung grundsätzlich frei zu wählen (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG), und das Verbot, Behinderte zu benachteiligen (Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG), sowie unter Berücksichtigung seines zumindest faktischen Monopols im Bereich der schulischen Erziehung und Bildung grundsätzlich gehalten, für behinderte Kinder und Jugendliche schulische Einrichtungen bereitzuhalten, die auch ihnen eine angemessene schulische Erziehung, Bildung und Ausbildung ermöglichen. Staatliche Maßnahmen zum Augleich einer Behinderung oder Beeinträchtigung stehen allerdings auch in Bezug auf die integrative Beschulung von Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf unter dem Vorbehalt des finanziell, personell, sachlich und organisatorisch Möglichen. Die Überweisung in eine Sonderschule, die der Schüler besuchen muss, wenn eine integrative Beschulung nicht in Betracht kommt (§ 7 Abs. 1 Satz 2 SchpflG NRW), stellt nur dann eine unzulässige Benachteiligung im Sinne des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG dar, wenn der Besuch der allgemeinen Schule durch einen vertretbaren Einsatz von sonderpädagogischer Förderung ermöglicht werden könnte.

BVerfG, Beschluss vom 8.10.1997 - 1 BvR 9/97 -, NJW 1998, 131 (132 f.); OVG NRW, Beschlüsse vom 13.5.2002 - 19 A 3100/01 -, 15.8.2000 - 19 B 989/00 - und 28.9.1999 - 19 B 1467/99 -.

Das lässt sich in Bezug auf die Personalkosten für den Einsatz von Integrationshelfern bei der integrativen Beschulung des Schülers K. in der B-Grundschule nicht feststellen.

Nach der Rechtsprechung des BVerfG obliegt dem Gesetzgeber ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Einschätzungsspielraum bei der Entscheidung über die Einführung über Möglichkeiten integrativer Beschulungen, weil er bei seinen Entscheidungen auch andere Gemeinschaftsbelange berücksichtigen und sich die Möglichkeit erhalten muss, die nur begrenzt verfügbaren öffentlichen Mittel für solche anderen Belange einzusetzen, wenn er dies für erforderlich hält.

BVerfG, Beschluss vom 8.10.1997 - 1 BvR 9/97 -, a. a. O., m. w. N.; OVG NRW, Beschluss vom 16.4.2003 - 19 B 403/03 -.

Ein solcher Einschätzungsspielraum obliegt auch der Beklagten als Schulträger bei ihrer Entscheidung über die Zustimmung gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 SchpflG. Sie muss bei ihrer Entscheidung wie der Gesetzgeber bei seiner Entscheidung über die Einführung von Möglichkeiten integrativer Beschulungen nicht nur die grundrechtlichen Schutzwirkungen zu Gunsten der Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf und ihrer Eltern, sondern auch andere Gemeinschaftsbelange berücksichtigen und abwägen. Die Beklagte hat eine Vielzahl von Selbstverwaltungsaufgaben (Art. 28 Abs. 2 GG) und die ihr durch Gesetz auferlegten Pflichtaufgaben (§ 3 Abs. 1 und Abs. 2 GO NRW) zu erfüllen. Ihre Haushaltswirtschaft ist so zu planen und zu führen, dass die stetige Erfüllung ihrer Aufgaben gesichert ist (§ 75 Abs. 1 Satz 1 GO NRW). Dies erfordert, die zahlreichen Aufgaben in Bezug zu einander zu setzen und abzuwägen. Die Beklagte muss hierbei angesichts der nur begrenzt zur Verfügung stehenden gemeindlichen Mittel Prioritäten setzen, die verschiedenen von ihr zu wahrenden Gemeinschaftsbelange koordinieren sowie unter Berücksichtigung des Erfordernisses des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts (§ 75 Abs. 1 Satz 2 GO NRW) die zahlreichen Aufgaben und die ihr hieraus entstehenden finanziellen Aufwendungen in eine umfassende haushaltswirtschaftliche Gesamtplanung einfügen.

Allerdings überschreitet die Beklagte ihren Einschätzungsspielraum, wenn ihre Ablehnung, die personellen Voraussetzungen für eine integrative Beschulung zu schaffen, unter Berücksichtigung ihrer finanziellen Möglichkeiten den Gegebenheiten und Verhältnissen des Einzelfalls ersichtlich nicht gerecht wird, weil der Besuch einer Sonderschule anstelle einer integrativen Beschulung in einer allgemeinen Schule für die (Gesamt-) Entwicklung des jeweiligen Schülers offensichtlich nachteilig ist.

BVerfG, Beschluss vom 8.10.1997 - 1 BvR 9/97 -, a. a. O., und Urteil vom 6.12.1972 - 1 BvR 230/70 und 95/71 -, BVerfGE 34, 165 (188 f.).

Das lässt sich in Bezug auf den Schüler K. nicht feststellen. Die Beteiligten machen nicht geltend, dass allein eine gemeinsame Unterrichtung an einer allgemeinen Schule gewährleistet, dass der Schüler eine angemessene Schulausbildung erhält. Dahingehende Gesichtspunkte lassen sich auch den im Verfahren über die Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs und die Entscheidung über den schulischen Förderort oder den sonstigen zum Verfahren beigezogenen Verwaltungsvorgängen nicht entnehmen.

b. Nicht entscheidungserheblich ist hiernach, ob die Integrationshelfer für K. (teilweise) Aufgaben eines Lehrers erfüllten und deshalb auch das Land zu deren Einstellung und infolgedessen zur Tragung der Personalausgaben nach § 3 Abs. 1 SchFG NRW verpflichtet war. Die unterschiedlichen Standpunkte zu dieser Frage und deren fallübergreifende Bedeutung, etwa in dem beim VG Münster anhängigen Verfahren 1 K 1123/04, veranlassen den Senat gleichwohl zu folgendem Hinweis:

Für den schulfinanzrechtlichen Begriff des Lehrers im Sinne des § 3 Abs. 1 SchFG NRW kommt es nicht auf die konkret ausgeübte Funktion im Unterricht, sondern allein auf die formelle Rechtsstellung als Lehrer im Beamten- oder Angestelltenverhältnis an. Eine derartige Rechtsstellung hatten die Integrationshelfer für K. nicht inne.

Der Begriff des Lehrers ist weder in § 3 Abs. 1 SchFG NRW noch in anderen Vorschriften des Schulfinanzgesetzes definiert. Er erschließt sich aus der Vorschrift des § 22 SchVG NRW. Sie bildet den inneren Grund dafür, dass das Land gemäß § 3 Abs. 1 SchFG NRW die Personalausgaben für Lehrer an öffentlichen Schulen trägt, deren Träger das Land, eine Gemeinde oder ein Gemeindeverband ist. Nach § 22 SchVG NRW sind die Lehrer an den öffentlichen Schulen entweder Bedienstete des Landes oder des Schulträgers. Bedienstete des Landes sind die Lehrer an den öffentlichen Schulen des Landes, der Gemeinden und Gemeindeverbände (§ 22 Abs. 1 SchVG NRW) sowie die Lehrer an Sonderschulen der Landschaftsverbände und der übrigen in § 22 Abs. 2 Satz 1 SchVG NRW genannten Schulträger (§ 22 Abs. 2 Satz 3 SchVG NRW). Als Bedienstete des Landes sind die Lehrer in der Regel zu Beamten zu ernennen (§ 22 Abs. 3 Satz 1 SchVG NRW). In Ausnahmefällen können sie als Angestellte des Landes beschäftigt werden (§ 22 Abs. 3 Satz 2 SchVG NRW). Diese durch § 22 SchVG NRW vorgegebene und an das Anstellungsverhältnis zum Land anknüpfende formelle Rechtsstellung war und ist für den Gesetzgeber ausschlaggebend, die Personalausgaben der in § 3 Abs. 1 SchFG NRW genannten Lehrer zu übernehmen, weil die Rechtsstellung als Beamte oder Angestellte des Landes sicher stellt, dass allein das Land über die Beschäftigung als Lehrer und den Einsatz an einer konkreten öffentlichen Schule entscheidet. Soweit bei Lehrern im Dienst des Schulträgers nach § 22 Abs. 2 Satz 1 SchVG NRW, deren Anstellung nach § 22 Abs. 2 Satz 3 SchVG der Bestätigung durch die obere Schulaufsichtsbehörde bedarf, das Land die Personalausgaben nach § 4 SchFG NRW erstattet, gilt Entsprechendes. Auch insoweit wird für die Eigenschaft als Lehrer an das Anstellungsverhältnis zum Schulträger und nicht an die konkret ausgeübte Funktion angeknüpft.

Vgl. auch Begründung des Entwurfs des Schulfinanzgesetzes, LT-Drs. 3/276, S. 10 und 12 (zu § 3 Abs. 2), und des Entwurfs des Gesetzes zur Änderung des Schulfinanzgesetzes, LT-Drs. 1545, S. 5 (zu Art. I Nr. 2).

Etwas Anderes ergibt sich nicht aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes zur Änderung des Schulfinanzgesetzes und des Ersatzschulfinanzgesetzes vom 7.4.1970, GVBl. NRW S. 262. Im damaligen Gesetzgebungsverfahren ist zwar (auch) eine auf die konkret ausgeübte Funktion abstellende "extensive" Bestimmung des Begriffs Lehrer angesprochen worden.

Vgl. die im Verfahren 1 K 1123/04 (VG Münster) vorgelegte Vorlage des Staatssekretärs Herzberg an den Kulturausschuss des Landtags - I B 1 30-12/1 Nr. 3368/69 u. a. -, sowie Rede des Abgeordneten Toetemeyer (SPD), Stenografische Berichte des Landtags NRW, Bd. IV, S. 2837.

Eine Änderung des bisherigen - auf die formelle Rechtsstellung abstellenden - Begriffs des Lehrers sollte jedoch wegen der "Komplexität" der schulrechtlichen Problematik nicht im Zusammenhang mit dem Erlass des Änderungsgesetzes vom 7. April 1970, sondern aufgrund einer Zusage des damaligen Kultusministers zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen.

Vgl. Rede des Abgeordneten Toetemeyer, a. a. O.

Eine dahingehende Änderung ist aber bis heute nicht erfolgt.

Auch § 32 Abs. 1 SchOG NRW verdeutlicht im Übrigen, dass im nordrhein-westfälischen Schulrecht grundsätzlich die konkret ausgeübte Funktion für den Begriff Lehrer unerheblich ist. Nach dieser Vorschrift wird Religionsunterricht von Lehrern oder Geistlichen erteilt. Diese Unterscheidung wäre entbehrlich, wenn sich der Begriff Lehrer nach der konkret ausgeübten Funktion richtete. Denn Geistliche sind ihrer Funktion nach Lehrer, wenn sie an einer öffentlichen Schule Religionsunterricht erteilen.

Die Anknüpfung an die konkret ausgeübte Funktion für den Begriff des Lehrers im Sinne des § 3 Abs. 1 SchFG NRW widerspräche auch dem Zweck des Schulfinanzgesetzes NRW. Die Aufteilung der Schulkosten nach dem Schulfinanzgesetz bedarf einer sicheren Grundlage mit klaren und überschaubaren Vorgaben, um dem Land und den Schulträgern eine verlässliche Haushaltsplanung zu ermöglichen. Bei der Haushaltsplanung des Landes und der Schulträger sind unter anderem die Grundsätze der Haushaltsklarheit und -wahrheit zu beachten. Sie erfordern eine Haushaltsplanung, die das Finanzverhalten durchsichtig macht, nicht verschleiert und wirksam steuert.

VerfGH NRW, Urteile vom 14.5.1996 - VerfGH 5/95 -, NWVBl 1996, 291 (295), und 28.1.1992 - VerfGH 1/91 -, NWVBl 1992, 129 (130).

Eine derartige Haushaltsplanung ist aber angesichts der Vielzahl der an Schulen tätigen Lehrer und sonstigen im Unterricht tätigen Bediensteten kaum zu leisten, wenn in jedem Einzelfall vor Aufstellung des Haushaltsplans zu prüfen ist, ob der Betroffene die Funktion als Lehrer oder eine andere Funktion ausübt.

II. Die Entscheidung des Schulamtes über den schulischen Förderort ist auch deshalb rechtswidrig, weil die gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 Satz 2 SchpflG NRW erforderliche Zustimmung der Beklagten als Schulträger zur integrativen Beschulung des Schülers K. in der B-Grundschule nicht vorlag. Die Zustimmung der Beklagten vom 8.7.1997 ist unwirksam.

Bei der Zustimmung des Schulträgers gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 Satz 2 SchpflG NRW handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Willenserklärung. Derartige Willenserklärungen sind unwirksam, wenn sie widersprüchlich sind oder einen nach der Rechtsordnung nicht geltungsfähigen Inhalt haben (sog. perplexe Willenserklärungen).

Vgl. zum Arbeits- und Zivilrecht: LAG Hamm, Urteil vom 10.2.2000 - 16 Sa 1482/99 -, juris; OLG Hamburg, Urteil vom 29.1.1997 - 4 U 166/96 -, juris; Heinrichs, a. a. O., § 133, Anm. 3 b (Rdn 6 und 6 a); Brox, in: Erman, Handkommentar zum BGB, 8. Aufl., 1989, 1. Band, § 133 Rdn 12; Mayer-Maly, in: Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 1, Allgemeiner Teil (§§ 1 - 240), AGB-Gesetz, 2. Aufl., 1984, § 133, Rdn 41.

Letzteres ist in Bezug auf die Zustimmung der Beklagten der Fall. Die Zustimmung vom 8.7.1997 enthält den "Vorbehalt", dass die Beklagte keine Personalkosten für den Einsatz der Integrationshelfer trägt. Ein derartiger "Vorbehalt" verstößt gegen zwingendes höherrangiges Recht, weil die Beklagte ihre Zustimmung nur dann erteilen kann, wenn sie nicht nur zur Tragung der sächlichen, sondern auch der personellen Mehrkosten der gemeinsamen Unterrichtung eines Schülers mit sonderpädagogischem Förderbedarf bereit und in der Lage ist. Das folgt aus dem Zweck des Zustimmungserfordernisses gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 Satz 2 SchpflG NRW und den Regelungen in §§ 1 Abs. 1 Satz 1, 3 Abs. 1 und 2 SchFG NRW.

Das Erfordernis der Zustimmung gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 Satz 2 SchpflG NRW hat den Zweck, dem Schulträger vor der Entscheidung über den Förderort eines Schülers mit sonderpädagogischem Förderbedarf die Prüfung zu ermöglichen, ob und inwieweit Mehrkosten bei der integrativen Beschulung anfallen, und ob er bereit und in der Lage ist, die Mehrkosten zu tragen.

Gesetzentwurf der Landesregierung zur Weiterentwicklung der sonderpädagogischen Förderung, a. a. O., S. 2.

Diese Prüfung und Entscheidung erstreckt sich nicht nur auf die sächlichen Mehrausgaben, die der Schulträger gemäß § 2 SchFG NRW aufgrund seiner Pflicht zur Bereitstellung und Unterhaltung der für einen ordnungsgemäßen Unterricht erforderlichen Schulanlagen, Gebäude, Einrichtungen, Lehrmittel und einer am allgemeinen Stand der Technik orientierten Sachausstattung (§ 30 Abs. 1 Satz 1 SchVG NRW) trägt. Wenn zur gemeinsamen Unterrichtung von Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf der Einsatz von Lehrern (§ 3 Abs. 1 SchFG NRW) nicht genügt, sondern zusätzlich der Einsatz von Integrationshelfern erforderlich ist, muss der Schulträger außerdem prüfen und entscheiden, ob er die personellen Mehraufwendungen durch den Einsatz von Integrationshelfern trägt.

Ebenso Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1502, a. a. O., S. 3, und Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 578, LT-Drs. 12/1788, S. 2.

Denn aufgrund der durch das Schulfinanzgesetz vorgegebenen ausschließlichen Kostenträgerschaft des Landes oder der Schulträger im Bereich der Schulkosten ist es, wie ausgeführt, Sache des Schulträgers, hier der Beklagten, die erforderlichen Integrationshelfer als andere Bedienstete im Sinne des § 3 Abs. 2 SchFG NRW anzustellen und die sich hieraus ergebenden Kosten zu tragen. Ist der Schulträger hierzu nicht bereit oder nicht in der Lage, verstößt seine gleichwohl erteilte Zustimmung zur integrativen Beschulung gegen höherrangiges Recht. Eine Zustimmung mit dem von der Beklagten erklärten "Vorbehalt", keine personellen Mehraufwendungen tragen zu wollen, oder ähnliche Einschränkungen sind mit den Vorgaben des Schulfinanzgesetzes nicht vereinbar.

Die Beklagte war auch nicht verpflichtet, eine vorbehaltlose Zustimmung gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 Satz 2 SchpflG NRW zu erteilen. Ob eine Verpflichtung zur Erteilung der Zustimmung besteht, wenn die integrative Beschulung eines Schülers mit sonderpädagogischem Förderbedarf keine sächlichen und personellen Mehrkosten begründet,

so Ziff. 1.1 Abs. 3 Satz 2 des Einführungserlasses zum Gesetz zur Weiterentwicklung der sonderpädagogischen Förderung in Schulen, Runderlass des Kultusministeriums vom 29.5.1995, GABl. NRW S. 107,

kann dahinstehen. Die integrative Beschulung des Schülers K. begründete jedenfalls personelle Mehrkosten, weil er auf die Betreuung durch Integrationshelfer angewiesen war. Eine gesetzliche oder verfassungsrechtliche Verpflichtung der Beklagten zur Übernahme der personellen Mehrkosten besteht aus den bereits dargelegten Gründen nicht. Daraus folgt zugleich, dass sie gesetzlich oder verfassungsrechtlich nicht zur Erteilung einer vorbehaltlosen Zustimmung verpflichtet war.

B. Nach Treu und Glauben sind die Folgen der objektiv rechtswidrigen Entscheidungen des Schulamtes für den Kreis Siegen-Wittgenstein über den schulischen Förderort nicht der Beklagten, sondern dem Kläger zuzurechnen. Er würde im Falle einer Verurteilung der Beklagten zur Erstattung der entstandenen Personalkosten für den Einsatz von Integrationshelfern grundlos einen Rechtsvorteil zu Lasten der Beklagten erhalten.

Das Schulamt hat, wie sich aus dem Schreiben des Schulamtsdirektors an die Beklagte vom 12.8.1998 ergibt, die Rechtswidrigkeit seiner Entscheidung über den schulischen Förderort in Erwägung gezogen, weil aus seiner Sicht unklar war, wer die Kosten für den Einsatz von Integrationshelfern zu tragen habe, und weil es die Möglichkeit in Betracht gezogen hatte, dass die Zustimmung der Beklagten aufgrund des darin enthaltenen "Vorbehalts", die Kosten für Integrationshelfer nicht übernehmen zu wollen, letztlich als Ablehnung zu werten sei. Die finanziellen Folgen dieser rechtlich fehlerhaften Entscheidung können nach Treu und Glauben nicht auf die Beklagte verlagert werden, weil sich der Kläger im Verhältnis zur Beklagten die rechtlich fehlerhafte Entscheidung des Schulamtes unter Kostengesichtspunkten zurechnen lassen muss (I.) und der damalige Oberkreisdirektor und heutige Landrat des Klägers die Entscheidung des Schulamtes hätte verhindern können (II.).

I. Aus § 18 Abs. 8 SchVG NRW folgt, dass der Kläger für die finanziellen Folgen sämtlicher - rechtmäßiger oder rechtswidriger - Entscheidungen des Schulamtes, das aus dem Landrat des Klägers und dem schulfachlichen Schulaufsichtsbeamten (§ 18 Abs. 2 Satz 2 SchVG NRW) besteht, aufzukommen hat.

Nach § 18 Abs. 8 Satz 1 SchVG trägt das Land die Personalausgaben für den schulfachlichen Schulaufsichtsbeamten. Die übrigen Kosten des Schulamtes trägt gemäß § 18 Abs. 8 Satz 2 SchVG NRW der Kreis, hier der Kläger. Angesichts dieser schulrechtlichen Kostentragungspflicht des Klägers ist es mit Treu und Glauben nicht vereinbar, die Beklagte mit den Kosten der rechtswidrigen Entscheidung über den schulischen Förderort des Schülers K. zu belasten. Die finanziellen Folgen der rechtswidrigen Entscheidung über den schulischen Förderort, etwa Schadensersatzansprüche der Eltern des Schülers K., die mit dem Verein I. den Einsatz von Zivildienstleistenden vereinbart hatten, sind keine Personalausgaben für den schulfachlichen Schulaufsichtsbeamten, sondern sonstige Kosten des Schulamtes im Sinne des § 18 Abs. 8 Satz 2 SchVG NRW, die der Kläger zu tragen hat. Wenn aber der Kläger schulrechtlich die finanziellen Folgen der rechtswidrigen Entscheidung des Schulamtes über den schulischen Förderort zu tragen hat, erhielte er grundlos einen Rechtsvorteil zu Lasten der Beklagten, wenn sie zur Kostenerstattung an den Kläger verurteilt würde.

Nichts Anderes ergibt sich daraus, dass der Kläger als Träger der örtlichen Sozialhilfe bei der Gewährung von Eingliederungshilfe gemäß §§ 39 Abs. 1 Satz 1, 40 Abs. 1 Nr. 3 BSHG an die Entscheidung des Schulamtes über den schulischen Förderort gebunden ist.

Vgl. nur OVG NRW, Urteil vom 12.6.2002 - 16 A 5013/00 -, m. w. N.

Die Bindungswirkung besteht nur im Verhältnis des Klägers zum Hilfeempfänger. Sie geht auch nicht so weit, dass der Kläger als Träger der örtlichen Sozialhilfe etwaige aufgrund der Gewährung von Eingliederungshilfe entstandene Erstattungsansprüche stets ohne Rücksicht auf seine aus § 18 Abs. 8 Satz 2 SchVG NRW folgende finanzielle Verantwortung für rechtswidrige Entscheidungen des Schulamtes durchsetzen könnte.

Ob der Kläger gegenüber dem Land NRW Ansprüche geltend machen kann, weil der schulfachliche Schulaufsichtsbeamte, der die Entscheidung über den schulischen Förderort getroffen hat, Landesbeamter ist (§ 18 Abs. 7 Satz 1 SchVG NRW), bedarf keiner näheren Erörterung. Etwaige Ansprüche des Klägers gegen das Land auf Übernahme der gesamten oder teilweisen Kosten für den Einsatz von Integrationshelfern rechtfertigen es nicht, (zunächst) die Beklagte mit diesen Kosten zu belasten.

II. Der damalige Oberkreisdirektor des Klägers hätte auch die rechtswidrige Entscheidung des Schulamtes über den schulischen Förderort verhindern können, wenn er an der Entscheidung mitgewirkt hätte. Zu dieser nicht erfolgten Mitwirkung war er verpflichtet.

Das Schulamt gliedert sich in den schulfachlichen, den verwaltungsfachlichen und den gemeinsamen Dienstbereich (§ 18 Abs. 3 Satz 1 SchVG NRW). In den gemeinsamen Dienstbereich des Schulamtes fallen solche Angelegenheiten, die sowohl schulfachlichen als auch rechtlichen Bezug haben (§ 18 Abs. 3 Sätze 2 und 4 SchVG NRW). Über diese Angelegenheiten entscheiden der schulfachliche Schulaufsichtsbeamte und der damalige Oberkreisdirektor und heutige Landrat des Klägers gemeinsam (§ 18 Abs. 3 Satz 4 SchVG NRW). Bestehen Zweifel über die Zuordnung der Angelegenheit, ist sie als gemeinsame Angelegenheit zu behandeln (§ 18 Abs. 3 Satz 5 SchVG NRW). Danach hätten der schulfachliche Schulaufsichtsbeamte sowie der damalige Oberkreisdirektor des Klägers gemeinsam über den schulischen Förderort des Schülers K. entscheiden müssen. Es handelte sich um eine gemeinsame Angelegenheit, weil sie sowohl sonderpädagogische und damit schulfachliche Fragen als auch, wie der Schulamtsdirektor zutreffend erkannt hatte, mit Blick auf die rechtlich zu beurteilenden Fragen der Kostentragungspflicht für den erforderlichen Einsatz von Integrationshelfern und der Wirksamkeit der Zustimmung der Beklagten vom 8.7.1997 rechtliche Aspekte betraf. Insofern handelte es sich im Übrigen auch um eine wichtige Angelegenheit im Sinne des § 18 Abs. 3 Satz 3 SchVG NRW, die es nach dieser Vorschrift erforderte, dass sich der schulfachliche Schulaufsichtsbeamte sowie der damalige Oberkreisdirektor und heutige Landrat des Klägers ins Benehmen setzten. Nach den vorliegenden Unterlagen ist jedoch weder eine gemeinsame Entscheidung getroffen worden noch das Benehmen im Sinne des § 18 Abs. 3 Satz 3 SchVG NRW herbeigeführt worden.

Der Senat verkennt nicht, dass angesichts der dargelegten gesetzlichen und verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht auszuschließen ist, dass Schulträger öffentlicher Schulen angesichts der allgemeinen kommunalen Haushaltslage aus Kostengründen nur in Einzelfällen die in ihrem Ermessen stehende Zustimmung zur integrativen Beschulung von Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf erteilen und deshalb ein (weiterer) Rückgang der aus Sicht des Senats wünschenswerten integrativen Beschulung zu verzeichnen sein könnte,

ebenso bereits VG Arnsberg, Urteil vom 18.2.1998 - 9 K 157/97 -, a. a. O., 111,

obwohl sie nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SchpflG NRW gleichrangig neben der sonderpädagogischen Förderung in einer Sonderschule seht.

OVG NRW, Beschlüsse vom 14.11. 2003 - 19 B 2125/03 -, und 16.4.2003 - 19 B 403/03 -.

Es ist Sache des Gesetzgebers, entweder das Land NRW oder die Schulträger öffentlicher Schulen zu verpflichten, die personellen und sonstigen finanziellen Voraussetzungen für eine integrative Beschulung von Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf zu schaffen.



Ende der Entscheidung

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